

Die Zahl der Burnout-Fälle in Deutschland nimmt jährlich eklatant zu. Auch in der Klimagerechtigkeitsbewegung ist das Gefühl von Stress, Angst, Ausbrennen präsent. Nicht nur sind sich die Aktivist*innen bewusst, dass unsere Zukunft auf dem Spiel steht. Sie wissen auch, wie wenig Zeit bleibt, die Klimakatastrophe noch einzugrenzen.
Wir haben mit Amelie Meyer von Extinction Rebellion und Lea Dohm von den Psychologists for Future zu dem Thema gesprochen.
Passt gut auf euch auf und wenn euch die angesprochenen Symptome bekannt vorkommen, schaut doch mal auf der Webseite der Psychologists for Future vorbei.
Sich für mehr Klimagerechtigkeit einzusetzen, ist ein Kampf gegen Windmühlen. Die 1,5 Grad Grenze ist ein Projekt mit einer Deadline, die man zu 100% reißen wird.
Vielen Aktivist*innen fällt es deswegen schwer, nach einem Tag den Laptop zuzuklappen und einigermaßen zufrieden in den Feierabend zu gehen.

Die Aufgaben, die sich die Klimagerechtigkeitsbewegung setzt, werden wohl nie vollständig zu einem Abschluss kommen. Dabei lastet immenser Druck auf der Bewegung. Denn die Einhaltung ihrer Forderungen entscheidet über die Zukunft von uns allen.
Wenn dann wenig bis nichts passiert, löst das Gefühle von Frust, Angst, Wut, Stress und Machtlosigkeit aus. Das birgt die Gefahr eines Burnouts.
Gefahr Klima-Burnout

Amelie Meyer, die als Teil von Extinction Rebellion Aktionen und Veranstaltungen mit organisiert und von Social Media über Pressearbeit und Schulungen ein bisschen alles macht, kennt das Gefühl.
“Ich habe mich schon einige Male ausgebrannt. Zeitweise arbeite ich echt viel und habe immer noch den Druck, dass es nicht ausreicht.”
Nachdem sie mehrere Monate lang auf eine Veranstaltung hingearbeitet hat, braucht Amelie eine längere Pause. Nach drei bis vier Monaten füllt sie ihre Rollen bei XR zwar wieder aus, das Gefühl von “Das wird zu viel” kommt aber immer wieder zurück.
“Ich merke gerade, dass mich super schnell was stresst, auch wenn ich kleine Aufgaben anfange, die eigentlich okay sind.”
Dabei weiß sie nach vielen Jahren Erfahrung genau, dass diese Arbeit nur gelingt, wenn man sie als Marathon anstelle eines Sprints angeht.
„Man startet in den Aktivismus mit dem Gedanken: Okay, jetzt hab ich dieses ganze Unrecht gesehen und jetzt will ich was verändern.”
Nach einer Phase, in der man besonders hart arbeite, folge dann für viele die Erkenntnis:
“Und um langfristig dabei sein zu können, muss es mir auch gut gehen mit dem, was ich mache. Man braucht eine Balance.”
Welche Strategien gibt es, den Druck auf sich selbst zu verringern?
Aus eigener Erfahrung können wir sagen: Hobbys nachzugehen, die nichts mit der Klimakrise zu tun haben. Entspannungsübungen zu machen, wem das gut tut. Sich off-time von Social Media zu schenken.
Das mag egoistisch klingen – haben die aktuellen Krisen etwa nicht 100 Prozent unserer Zeit verdient?! – hat aber genau mit der Balance zu tun, die Amelie anspricht. Bei uns klappt das übrigens manchmal auch nicht.

Eine weitere Strategie, die Amelie nennt: Sich mit der Gruppe, mit der man arbeitet und von der man sich verstanden fühlt, verbinden.
Aufeinander Rücksicht nehmen und für die anderen einspringen, wenn es jemandem mal nicht so gut geht. Grenzen respektieren und sich trauen, sie selbst zu setzen.
“Und: Wir müssen uns definitiv alle mehr feiern. Das geht viel zu oft unter”,
schreibt uns Lea Dohm, Mitgründerin der Psychologists for Future.

Die aus Psycholog*innen bestehende Initiative hat es sich u.a. zum Ziel gesetzt, Klima-Engagierte und -Gruppen zu unterstützen – auch bei Anzeichen eines Burnouts.
“Das gesamte Beratungsangebot und Material der Psy4F passt darauf und zielt darauf ab. Wer sich so fühlt, kann dort Hilfe in Anspruch nehmen.”
Lea Dohm, Dipl.-Psychologin und Psychologische Psychotherapeutin.
Fazit zum Klima-Burnout?
In einer Gruppe aktiv zu werden, stärkt das Gefühl von Selbstermächtigung, weil wir ins Handeln kommen, anstatt zu verdrängen. Doch auch bei wichtiger politischer Arbeit ist es wichtig, auf sich achtzugeben.
Was übrigens der wirkungsvollste Geheim-Tipp gegen Burnout bei Menschen wäre, die für Klimagerechtigkeit kämpfen: Wenn die Verantwortlichen und Entscheidungsträger in der Politik endlich mehr tun würden, um die katastrophalen Folgen dieser Krisen zu begrenzen. Naja.
Schaut auch in unseren Beitrag „Wie die Klimakrise unsere psychische Gesundheit belastet“ rein.
Ein Beitrag von Ann-Sophie Henne
Wenn es euch nicht gut geht, und ihr jemanden zum Reden braucht, findet ihr rund um die Uhr eine*n Ansprechpartner*in bei der Telefon-Seelsorge unter der Nummer 0800 11100111.
[…] Es ist eine Ambivalenz, die wir aushalten dürfen – und womöglich müssen. Denn im dauerhaften Katastrophenmodus können wir nicht lange gegen diese Katastrophe kämpfen. Wir gehen daran kaputt. […]