KlimaKonsum

Veganismus ist keine Universallösung

Veganismus ist keine Universallösung. Mensch mit Bibel in der Hand, auf einer Seite steht Go Vegan!

GO VEGAN ist eine Killerphrase, die uns immer wieder unter unseren Beiträgen begegnet. Und zwar unabhängig von Kontext oder Komplexität der Thematik. Warum sich Veganismus nicht gebetsmühlenartig auf jedes Problem anwenden lässt und eben keine Universallösung ist, erfahrt ihr in diesem Kommentar. PS: Der Autor dieses Artikels lebt selbst vegan.

Mensch mit Bibel in der Hand, auf einer Seite steht Go Vegan! Veganismus ist nicht die eine Lösung

“Einfach vegan werden und das Problem ist gelöst”: wenn wir jedes Mal, wenn wir diesen Kommentar in unserer grünen Filterblase lesen, einen Cent… ihr wisst schon. Auch unter unseren Beiträgen zum Thema Ernährung wird das Argument immer wieder ausgepackt.

Es begegnet uns dabei ganz unabhängig vom Kontext oder davon, ob im Beitrag bereits komplex ausgearbeitete Lösungen von renommierten Wissenschaftler*innen aufgegriffen werden – die sich, man glaubt das kaum, im Vorfeld ausführlich mit der Thematik auseinandergesetzt haben.

Beispiele?

Vor kurzem haben wir uns mit dem Pastoralismus auseinandergesetzt, einer kulturellen und traditionellen Art der Tierhaltung, die sich im Einklang mit der Natur entwickelt und in Teilen als nachhaltig bezeichnet werden kann.

Das erste “Warum überhaupt Tiere essen?”, ließ nicht lange auf sich warten. Aber für wen ist das wirklich eine realistische Lösung?

Es gibt Länder, in denen zwischen 70 und 90% der Tiere in pastoralen Systemen gehalten werden. Alleine in Indien stammt die Hälfte der Milch und über 70% des Fleisches aus dieser Art der Tierhaltung. Schätzungen zufolge leben mehr als 200 Millionen Menschen als Pastoralist:innen und halten dabei eine Milliarde Tiere.

Diese Art der Tierhaltung ist eine essentielle Lebensgrundlage für hunderte Millionen von Menschen.

Check your (vegan) Privilege

Zweites Beispiel. Vor kurzem haben wir über die Umweltauswirkungen von Schleppnetzen berichtet. In einer Studie, die im nature-Magazin veröffentlicht wurde, haben 26 Wissenschaftler:innen Schutzgebiete identifiziert, die sich positiv auf den Fischfang, die Biodiversität, aber auch auf eine Verringerung von freigesetztem CO2 auswirken könnten. Obwohl das für eine Studie sehr konkrete und vielversprechende Lösungsansätze sind, wurde das Totschlagargument wieder ausgepackt.

Zwei Zitate in Sprechblasen: Aufhören Fisch zu essen. Nur dann helfen wir den Meeren wirklich und können unsere Ozeane und alles Leben in ihnen retten. und Umweltschutz fängt auf dem eigenen Teller an #bevegan.

Es gibt keine einfache Lösung für komplexe Probleme

Klar, in einer Welt, in der niemand Fisch isst, geht es den Meeren deutlich besser. Dann muss Netflix auch keine Doku machen. Laut WWF sind aber derzeit 800 Millionen Menschen weltweit abhängig von Fang, Produktion, Verarbeitung und Verkauf von Fisch und Meeresfrüchten.

Aus unserer westlichen Selbstgefälligkeit ist es einfach zu sagen, “Vegan und gut ist”, aber Lösungen sind nicht so eindimensional. Das ist eine privilegierte Sichtweise auf das Thema. Viele von uns haben die Möglichkeit, in den Supermarkt zu gehen und ein Regal weiter zur Soja- statt zur Kuhmilch und zu fancy Fishsticks aus Schwarzwurzel anstatt der Iglostäbchen zu greifen. Viele Menschen können diese Entscheidung aber nicht treffen. Und im Hinblick darauf finde ich die Forderung, sich doch einfach vegan zu ernähren, nur wenig weitsichtig.

Illustration einer Packung Soja Drink

Was brauchen wir wirklich?

Globale Probleme wie Überfischung, Massentierhaltung und Zerstörung der Ozeane ist nicht mit einem “Go Vegan” gelöst, sondern erfordern gesetzliche Maßnahmen und Lösungen, die mit betroffenen Staaten erarbeitet werden müssen, um Ungerechtigkeit derer gegenüber zu verhindern, für die Tierhaltung und Fischfang eine Lebensgrundlage ist.

Ich möchte den Impact einer veganen Lebensweise gar nicht herunterspielen. Ich verzichte selbst auf alles Tierische, außer auf mein tierisch gutes Aussehen. Und ich verstehe auch aus welchem Antrieb dieses Argument kommt, schaut man sich nur die Zustände in den Schlachtfabriken oder der Ozeane an.

Ich wünsche mir aber, dass der (Weit)Blick wieder mehr auf realistische Lösungen gerichtet wird. Ich finde es wunderbar, dass so viele Menschen aktiv werden und auch nach Möglichkeit gesellschaftlich “normale” Lebensweisen hinterfragen. Bitte projiziert eure Entscheidungen aber nicht auf Menschen, die diesen Spielraum in ihrem Leben nicht haben.

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest

1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
trackback
8 Februar 2024 19:22

[…] wolltest dich im neuen Jahr vegan ernähren, kein Plastik mehr benutzen und keine Flugreisen antreten – und hast die Vorsätze schon […]

Skip to content