Die Gruppe “Letzte Generation” hat in den letzten Wochen mit ihren radikalen Klimaschutz-Protesten für Aufsehen gesorgt. Mit Blockaden legten sie Teile des Hamburger Hafens lahm und klebten sich an wichtige Straßen in mehreren deutschen Großstädten.
Die Forderungen der Aktivist:innen: die schnelle Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen, darunter auch die Umsetzung eines Lebensmittelrettungsgesetzes. Was spricht – unter der Prämisse der Gewaltlosigkeit – für radikale Methoden im Klimaschutz? Und was dagegen?
Was für radikale Klimaschutz-Proteste spricht
1. Die Zeit wird knapp
Ein Aktivist der “Letzten Generation” sagte dem SWR, warum sich die Gruppe für die militante Form des Protests entschieden hat:
„Wir haben einfach nicht mehr den Spielraum, um uns gemeinsam hinzusetzen und alles in Ruhe auszudiskutieren.“
Auch der am 28. Februar 2022 veröffentlichte zweite Teil des Weltklimarat-Berichts zeigt: die Zeit zu handeln ist begrenzt. Meeresbiologe und IPCC-Mitglied Hans-Otto Pörtner sagte der Tagesschau, die Welt befinde sich im entscheidenden Jahrzehnt für den Umgang mit dem Klimawandel.
2. Die Radikalität entspricht der Dringlichkeit der Lage
Auf Twitter schreibt die “Letzte Generation”:
„Die massiven Störungen im Hafen sind nichts im Vergleich zu Störungen durch Fluten, Dürren, Essensknappheit. Es ist unsere Pflicht, gegen eine todbringende Politik Widerstand zu leisten.“
Tatsächlich scheinen die Maßnahmen aller nennenswerten Klimaschutz-Gruppen in Anbetracht dessen, was auf dem Spiel steht, relativ milde. Es werden weder Sachen zerstört noch Menschen angegriffen, um Änderungen zu erzwingen. Ob ein radikaler Protest mit potenzieller Strafverfolgung als moralische Pflicht angesehen werden kann und sollte – darüber lässt sich streiten.
3. Ein Protest muss aufrütteln
Der Achtstundentag, die Wiedervereinigung, der Atomausstieg: All diese Errungenschaften wurden mit Mitteln des (damals) rechtswidrigen Protests erreicht.
“Die Grenzüberschreitung gehört zur DNA von Protest. Protestaktionen sollen aufrütteln, Abläufe stören, Autoritäten und Gewohnheiten in Frage stellen. Diese Disruption ist Bedingung für die Wirksamkeit von Protesten”
so der Sozialphilosoph Robin Celikates gegenüber der taz.
Ziviler Ungehorsam sei deshalb ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie und ihrer Demokratisierung.
Was gegen radikale Klimaschutz-Proteste spricht
1. Die Politik lässt sich nicht “nötigen”
In den meisten Fällen verfolgen Proteste das klare Ziel, die Politik zum sofortigen Handeln zu bewegen. Doch durch militante Proteste besteht das Risiko, dass das genaue Gegenteil passiert und die Verantwortlichen sich erst recht nicht ernsthaft mit Aktivist:innen an einen Tisch setzen. Im aktuellen Fall der “Letzten Generation” haben sich fast alle Politiker:innen darauf konzentriert, die Blockaden scharf zu kritisieren.
2. Kollateralschaden
Auch ein per se gewaltfreier Protest kann andere Menschen gefährden: Oft zitierte Beispiele sind hierbei ein Rettungswagen oder eine schwangere Frau, die aufgrund einer Straßenblockade nicht rechtzeitig zum Ziel kommen.
Als größeren Kollateralschaden könnte man im aktuellen Fall den Unmut der zahlreichen Autofahrer:innen betrachten, die aufgrund der Blockaden im Stau warten mussten. Gemeinsam mit der negativen Berichterstattung kann das letztendlich auch dem Ruf und der Akzeptanz weniger radikal vorgehenden Klimaschutz-Gruppen und damit der Klimaschutzbewegung insgesamt schaden.
3. Die eigentliche Thematik rückt in den Hintergrund
Viele Medienberichte thematisieren und skandalisieren vor allem die radikalen Mittel der “Letzten Generation”. Dabei rückt das Thema des eigentlichen Protests stark in den Hintergrund. Stattdessen wird über eine “zunehmende Radikalisierung im Klimaschutz” diskutiert und die Fronten verhärten sich weiter.
Ein Beitrag zum Klimaschutz ist es, uns Geld zu schicken. Wir schreiben dann ganz viele Texte und klären zum Thema auf, bis wir uns eine Bahncard 100 leisten können und nie mehr einen Flieger von innen sehen. Win-win-win-Situation für uns, euch und die Deutsche Bahn. (Keine Werbung)
[…] sind, die auch mit persönlichen Einschränkungen verbunden sind. Die Gründe, die gegen die Aktionen der Letzten Generation aufgeführt werden, würden wir gern lustig finden, wenn die damit zusammenhängenden Prioritäten […]