6,55 Milliarden Euro – für so viel Geld wurden vergangenes Jahr die Rechte an 5G-Frequenzblöcken versteigert. Damit ist der Grundstein für einen Ausbau des “Netzes der Zukunft” gelegt. Aber was ist 5G überhaupt? Was ist dran an der Kritik um die Technologie – und welche Vorwürfe sind haltlos?
Was ist 5G?
5G ist die fünfte Mobilfunkgeneration und um einiges leistungsstärker als der Vorgänger 4G/LTE. Die Verzögerung der Datenübertragung beträgt dabei weniger als eine Millisekunde. Ein Vorteil dieser rasanten Weitergabe ist, dass viele verschiedene Geräte quasi in Echtzeit miteinander vernetzt werden können.
Das neue Netz wird dadurch vor allem für industrielle Abläufe neue Möglichkeiten schaffen, zum Beispiel im Bereich des autonomen Fahrens oder der Telemedizin. Aber auch für private Nutzer*innen verspricht der Ausbau Vorteile, beispielsweise bei der Netzabdeckung von Großveranstaltungen oder für eine Streaming-Nutzung von unterwegs.
Übrigens: 4G wird durch den Nachfolger nicht abgelöst, sondern bildet die Grundlage. 5G-Antennen haben eine geringere Reichweite und sind daher vor allem für eine ländliche Abdeckung eher unpassend. Laut Bitkom müsse die Zahl der 60.000 Funkmasten auf ganze 800.000 aufgestockt werden, um 98% der Haushalte mit 5G abzudecken. Diese 98% sind von der Bundesnetzagentur auferlegt und bis Ende 2022 zu erreichen. Die Mobilfunkanbieter streben sich gegen diese Forderung und versuchten bereits, gerichtlich dagegen anzugehen – ohne Erfolg.
Die Bereitstellung der neuen Masten, sowie der damit verbundene Glasfaserausbau ist weiterhin sehr kostenintensiv: Die Telekom schätzt einen Investitionsaufwand von etwa 500 Milliarden Euro zur vollständigen Implementierung der fünften Generation der Mobilfunktechnik.
Probleme und Kritik
Die Kritik an der neuen Mobilfunkgeneration reicht von sachlichen Studien bis Sachbeschädigung: In England und den Niederlanden steckten 5G-Gegner gar einige Antennen in Brand. Aber warum eigentlich? Worauf stützt sich die Kritik?
Die Gefahren des neuen Netzes werden immer wieder in kruden Verschwörungsideologien aufgegriffen. So soll 5G zum Beispiel Anteil an der Corona-Pandemie haben. Diese gefährlichen Falschmeldungen sind ein Problem, da so oft die wirklich wichtigen Kritikpunkte in den Hintergrund rücken. Ein genauerer Blick auf wissenschaftliche Kritik und Bedenken kann sich jedoch lohnen.
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht: „Wir forcieren den Ausbau der Mobilfunkversorgung und entwickeln Deutschland zum Leitmarkt für 5G.“
Davon ist Deutschland weit entfernt und hinkt in der Entwicklung hinterher. Trotzdem zeigt der Anspruch, dass 5G für eine zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sehr wichtig ist. Aus diesem Umstand hat sich eine Art Wettlauf entwickelt. Studien und Forschung werden dabei trotz dem vehementen Protest mancher Wissenschaftler*innen eher hintenangestellt.
Vor allem der gesundheitliche Aspekt spielt hier eine wichtige Rolle. Dieser bezieht sich natürlich nicht auf die Ausbreitung des Coronavirus, sondern auf die elektromagnetische Strahlung, die sich mit dem Ausbau höchstwahrscheinlich erhöhen wird – denn 5G bringt höhere Frequenzen und, durch die geringere Reichweite, engerstehende Antennen mit sich.
Wissenschaft ist sich nicht einig
Die Wissenschaft hat sich bei der Diskussion in zwei Lager gespalten. Laut einer Recherche von “Investigate Europe” erfolgt die Festlegung der Strahlungs-Höchstwerte einzig von einer privaten Institution namens International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP). Bei dieser handele es sich um einen von der Bundesregierung unterstützten Verein, der seine Mitglieder selbst rekrutiere und dabei abweichende Meinungen meide. Die Messwerte wurden von diesem Verein im Jahr 1998 festgelegt und stützen sich dabei auf die Annahme, dass elektromagnetischen Strahlung erst ab einer Erwärmung des Gewebes, also ab 2 Watt pro Kilogramm Körpergewicht, bedenklich wären. Dieser Wert wird in der Regel nur in unmittelbarer Nähe zu Mobilfunkmasten erreicht, stellt also für die Industrie kein Problem dar.
Mehr als 400 Mediziner stellen sich dieser Annahme in einem veröffentlichten Appell für einen Ausbaustopp der 5G-Technik entgegen, darunter auch der deutsche Umweltpolitiker und Biologe Ernst-Ulrich von Weizsäcker. Sie kritisieren unter anderem die Willkürlichkeit der von ICNIRP festgesetzten Beschränkung auf die Wärmewirkung, da Hochfrequenzstrahlen auch in niedriger Dosierung Effekte auf Zellen erzeugen würden.
Auch die “Bioinitiative”, bestehend aus 29 Professor- und Forscher*innen
aus verschiedenen Ländern, schreibt in einem Gegenentwurf zum ICNIRP: „Die biologischen Effekte der Mobilfunkstrahlung verhindern, dass der Körper geschädigte DNA heilt und führen zu einer geringeren Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten.“ Auch ein höheres Risiko für Hirntumore könne dadurch entstehen. Unterstützt wird diese These auch durch eine Studie im Auftrag US-Gesundheitsministeriums, die bei Ratten einen signifikanten Zusammenhang zwischen kontinuierlicher Mobilfunkstrahlung und bösartigen Tumoren an den Nervenzellen des Herzmuskels nachwies.
Forschende, die basierend auf diesen Ergebnissen eine Hochstufung vonseiten der WHO von “möglicherweise krebserregend” zu “wahrscheinlich krebserregend” für Hochfrequenzstrahlung pochen, hatten damit trotz allem bisher keinen Erfolg. Dennoch: Selbst eine WHO-Einstufung als “wahrscheinlich krebserregend” würde sich nur auf die Hochfrequenzstrahlung an sich, nicht auf die tatsächliche Strahlungsintensität im Mobilfunk beziehen. Genau die sei aber eben – auch nach dem 5G-Ausbau – viel zu gering, um eine entsprechende Auswirkung zu haben, sagen die Kritiker der Kritiker.
Auch sie haben in der Diskussionen einen validen Standpunkt, denn trotz allem kann eine Gesundheitsschädigung mit der “regulären” Strahlungsintensität von 5G für den Menschen momentan nicht nachgewiesen werden. Die Studien der Biointiative haben für großen Wirbel gesorgt, das Bundesamt für Strahlenschutz kontert und sagt die Berichte weisen “klare wissenschaftliche Schwächen auf”.
Dennoch: die Forderung nach etwas mehr Vorsorge und Risikoforschung vonseiten der Regierung könnte durchaus berechtigt zu sein. Das findet auch Weizsäcker: die Politik müsse “darauf bestehen, dass die Gesundheitsrisiken […] untersucht werden, bevor wir die gesamte Bevölkerung immer höheren Werden der elektromagnetischen Felder aus dieser Technologie aussetzen.”
Vorschnelle Ablehnung, wilde Verschwörungstheorien und natürlich auch Vandalismus jeglicher Art sind der Sache jedoch nicht dienlich, sondern schädigen sie.
QUELLEN:
Bundesnetzagentur: Bundesnetzagentur stärkt Deutschland als Leitmarkt für 5G
Mobiles Breitband: Versorgung der Bevölkerung mit funkgestützten Breitbandanschlüssen
Bundesamt für Strahlenschutz: Stellungnahme zum „BioInitiative Report“
Investigate Europe: How much is safe? / Tagesspiegel: Wie gesundheitsschädlich ist 5G wirklich?
Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD: Ein neuer Aufbruch für Europa Eine neue Dynamik für Deutschland Ein neuer Zusammenhalt für unser Land
Tagesschau: Neuer Mobilfunkstandard / Das ist wichtig rund um 5G
Mobilfunk-Lizenzen / Gut 6,5 Milliarden Euro für 5G