Ist die Digitalisierung ein “Brandbeschleuniger” des Klimawandels? Oder werden digitale Innovationen unsere Umweltprobleme vielmehr eines Tages lösen? Eine Auseinandersetzung mit beiden Sichtweisen.
Die Digitalisierung und das Internet haben viele Wirtschaftszweige revolutioniert. Allerdings benötigt es für die Bereitstellung Strom, der vor allem durch fossile Brennstoffe erzeugt wird – und so entsteht durch die Nutzung auch immer CO2.
Kann der digitale Wandel vielleicht auch einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leisten? Die Autor*innen der Studie “Unsere gemeinsame digitale Zukunft” des Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) sind sich sicher: das geht. Mit neuen Technologien könne man sich beispielsweise schneller von der Wegwerfgesellschaft in eine Kreislaufwirtschaft entwickeln.
Als Beispiel wird ein Joghurtbecher genannt, der mithilfe von digitaler Technologie aus einem kompostierbaren Material hergestellt werden kann. Generell sollen in Zukunft Produkte aus jedem Lebensbereich umweltfreundlicher hergestellt und besser genutzt werden.
Besonderes Potenzial soll auch im Bereich Mobilität, genauer in autonomen Fahrzeugen liegen. Laut einer Studie von nature climate change können durch selbstfahrende Autos bis zu 90 Prozent CO2 eingespart werden.
Auch Feinstaub-Filtersysteme in Straßenlaternen und Energiegewinnung an freien Flächen oder Dächern könnten demnach positive Effekte des digitalen Wandels sein.
Die Wissenschaftler*innen sehen auch im Bereich Landnutzung und -wirtschaft eine Chance für die Digitalisierung. Als Beispiel nennen sie (beobachtende) Drohnen, um Wälder vor illegaler Abholzung zu bewahren oder Algorithmen, die die Menge an Düngemittel und Pestizide verringern.
Trotz der vielen guten Ansätze und Ideen sehen die Wissenschaftler*innen des Berichts den Digitalisierungsprozess momentan eher als Beschleuniger für den Klimawandel, vor allem durch die Übernutzung natürlicher Ressourcen. Das Problem: die Politik ignoriere das Thema.
Großkonzerne hätten gr0ße Macht und würden den digitalen Fortschritt für ihre Zwecke nutzen. Prof. Dr. Dirk Messner, Vorsitzender des WBGU, plädiert daher für mehr Kontrolle: Es sei mehr nicht-kommerzieller Zugang und ein demokratischer Diskurs nötig, um Digitalisierung ökologisch fair zu gestalten. “Digitalisierung ist nicht automatisch ein Prozess, der uns zu mehr Nachhaltigkeit oder sozialem Zusammenhalt führt. Wenn wir sie nicht auf Nachhaltigkeit ausrichten, dann werden wir die Probleme, die wir ohnehin haben, nur noch beschleunigen”, so Messner.
Weniger die Unternehmen, sondern eher die Politik, sei jetzt an der Reihe etwas zu bewegen. „Digitalisierung droht ansonsten als Brandbeschleuniger von Wachstumsmustern zu wirken, die die planetarischen Leitplanken durchbrechen.“
Immerhin: Im Oktober 2019 hat die Bundesregierung eine Strategie im Zusammenhang von Digitalisierung und Klimaschutz abgegeben. Mit dieser Strategie sollen digitale Innovationen entwickelt und ein Fachgebiet eingerichtet werden. 45 Millionen Euro wurden dafür zur Verfügung gestellt. Es bleibt abzuwarten, was damit geschieht.
QUELLEN:
WBGU: Unsere gemeinsame digitale Zukunft
Nature: Autonomous taxis could greatly reduce greenhouse-gas emissions of US light-duty vehicles
Umweltbundesamt: Surfen, Internetanbieter
heise.de: Missing Link: Klimawandel? – Technologie wird uns auch diesmal nicht retten
heise.de: Studie: Digitalisierung als Problemlöser des Klimawandels
heise.de: Wissenschaftler: Digitalisierung könnte Klimakrise weiter beschleunigen
dw: Wie nachhaltig ist die Digitalisierung?
Spiegel Online: „Utopie und Horror liegen dicht nebeneinander“
SWR: Die Ökobilanz eines Mausklicks
Handelsblatt: Die Digitalisierung droht den Klimawandel zu beschleunigen