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Mythos Raumklima – Warum wir Zimmerpflanzen überschätzen

Mythos Raumklima - Warum wir Zimmerpflanzen überschätzen

In den letzten zwei Jahren, in denen einige von uns gezwungenermaßen viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht haben, ist der Markt mit Zimmerpflanzen weiter gewachsen. Einer der vermeintlichen Vorzüge des Urban Jungles: Er soll das Raumklima verbessern. Im Internet finden sich daher zahlreiche Auflistungen von Blogs und Baumärkten, welche Pflanzen denn dafür am besten geeignet seien.

Doch was ist dran am Mythos? Laut einer Metastudie, die im Journal of Exposure Science & Environmental Epidemiology veröffentlicht wurde, nicht viel.

Illustration von 3 Zimmerpflanzen. Verbessern sie wirklich das Raumklima?

All inclusive

(wer den hier versteht, ist smart)

Aber mal von vorne: Woher stammt die Annahme überhaupt? Viele Blogs beziehen sich auf eine Studie der NASA aus dem Jahr 1989. Dort wird untersucht, wie Pflanzen in geschlossenen Innenräumen helfen können, bestimmte Schadstoffe aus der Luft zu filtern. Dass Pflanzen die Luftqualität positiv beeinflussen, ist dabei unumstritten – die Frage ist nur, in welchem Ausmaß.

Im Fall der 33 Jahre alten NASA-Studie wird ein Versuchsaufbau gewählt, der mit einem Zimmer nicht zu vergleichen ist. Verschiedene Stoffe werden in einen kleinen Bereich geleitet und mithilfe eines Ventilators zirkuliert.

Illustration des Versuchsaufbaus der NASA-Studie. Ein Topf mit Blumenerde, Aktivkohle und Efeutute steht auf einem Behälter, in den Stoffe eingeleitet und durch einen Ventilator zirkuliert werden,

Das Ergebnis der NASA und vergleichbarer Studien: Die Pflanzen konnten innerhalb von 24 Stunden einen Großteil der Schadstoffe aus der Luft filtern.

Ein großes ABER

An der Skizze der NASA erkennt man schnell: Mit einem Zimmer oder Büroraum hat die Laborsituation wenig zu tun. Völlig verständlich, denn die NASA wollte vor allem auch Lösungen für eigene Raumstationen suchen. Der Hauptkritikpunkt liegt dabei also nicht an der Studie selbst, sondern daraus, was viele (Medien)blogs daraus machen.

Besseres Raumklima auf der Raumstation. Illustration einer fliegenden Rakete mit Pflanzen.

In der zu Beginn erwähnten Metastudie werden 12 Studien der letzten Jahrzehnte ausgewertet, in denen insgesamt 196 verschiedene Pflanzen getestet wurden. Das Ergebnis auch hier: Laborsituation ≠ Zimmer. Um den Versuchsaufbau realitätsnäher zu gestalten und die Leistung von Luftreinigern oder simplem Lüften mit Zimmerpflanzen vergleichen zu können, wurde deshalb ein neues Modell geschaffen.

Den Mythos (ent)lüften

Die Ergebnisse sind vielleicht für viele Pflanzenliebhaber:innen etwas ernüchternd. Mit dem klassischen Lüften können die grünen Lieblinge nämlich nur bedingt mithalten. Um überhaupt einen nachweislichen Effekt der Luftreinigung zu erzielen, müsste man laut Studie mindestens 10 und bis zu 1.000 Pflanzen pro Quadratmeter aufstellen. Das wäre also wirklich mal ein echter Urban Jungle.

Pflanzen sind trotzdem nice.

Auch wenn Pflanzen ihrem Ruf als Luftreiniger in Innenräumen nicht gerecht werden, haben sie dennoch einige Vorzüge. Natur in und außerhalb der Wohnung kann das Wohlbefinden nachweislich positiv beeinflussen. Das zeigen beispielsweise Untersuchungen zu der Ausnahmesituation der letzten zwei Jahre. Forscher:innen aus Genua fanden heraus, dass Menschen, die Pflanzen in ihrer Wohnung hatten, die Lockdown-Situation Anfang 2020 durchschnittlich als weniger belastend empfunden haben.

Wenn wir die letzten Jahre was gelernt haben, dann ist das Lüften. Wenn du also nicht gerade auf einer Raumstation wohnst, dann ist das einfache Öffnen des Fensters oft die bessere Wahl, als jeden Quadratzentimeter der Wohnung mit Pflanzen zu bestücken. Zumindest was das Raumklima angeht.

Wie sieht das bei euch aus? Habt ihr auch schon mal vom “Mythos Raumklima” gehört? Wer von euch möchte das mit den 1000 Pflanzen pro Quadratmeter mal ausprobieren?

Quellen für diesen Beitrag

Studie aus Genua: Particularities of having plants at home during the confinement due to the COVID-19 pandemic

Nasa-Studie (1989): Interior Landscape Plants for Indoor Air Pollution Abatement

Meta-Studie: Potted plants do not improve indoor air quality: a review and analysis of reported VOC removal efficiencies

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