Was kann ich alleine schon bewirken? So wenig Einfluss ich als Individuum auf die großen Baustellen des Planeten habe, umso frustrierter lassen mich Menschen zurück, die es erst gar nicht versuchen. Zu sagen “Alleine kann ich eh nichts ändern”, ist ein Scheinargument und ein Freifahrschein für das Nichtstun. Ein Kommentar.
„Ich alleine kann doch eh nichts ändern…”
Was kann ich alleine schon bewegen? Es leben fast 8 Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Macht es wirklich einen Unterschied, ob ich im Supermarkt zehn Zentimeter weiter nach der Hafermilch greife und die Kuhmilch links liegen lasse?
„Alleine kann man doch eh nichts ändern” ist eine Aussage, die ich schon oft in Gesprächen zu hören bekommen habe. Nicht ganz überraschend wurde sie auch von euch oft genannt, als wir euch nach den gängigen “Argumenten” der Klimaskeptiker*innen gefragt haben.
Angst vor Veränderung?
Die Aussage ist natürlich ein absolutes Totschlagargument, ein Abwehrmechanismus. Wenn man von vorneherein ausschließt, irgendeinen Effekt erzielen zu können, dann muss man es ja auch gar nicht erst versuchen.
Diese Antihaltung verstärkt bestehende Probleme. Bei sich selbst anzufangen wäre ein Mehraufwand, der strikt abgelehnt und dann durch dieses Argument gerechtfertigt wird.
Trotzdem verstehe ich auch die Resignation, die in dem Satz mitschwingt. Es ist die Machtlosigkeit, die man fühlt, wenn man sich der Lobbymacht großer Wirtschaftszweige bewusst wird, man Brandrodungen auf weit entfernten Kontinenten oder auch nur die neue deutsche Autobahn durch einen jahrhundertealten Wald verstehen möchte.
Und klar, allein wird keiner von uns die Abholzung des Amazonas stoppen oder die Massentierhaltung abschaffen.
Die Aussage ist aber ein Offenbarungseid fürs Nichtstun. Und ich persönlich möchte es zumindest versucht haben. Ich glaube außerdem, mit dieser Ansicht bin ich ganz und gar nicht allein: Jeder Gedanke, jede Revolution und jedes Umdenken, hat irgendwo einen Anfang genommen. Wenn man sich anschaut, wie sehr sich das Thema Klimaschutz mittlerweile in Politik und Gesellschaft festgesetzt hat, auch weil sich viele “Einzelne” verbunden haben, habe ich doch das Gefühl, dass man etwas bewegen kann.
Das wohl offensichtlichste Beispiel: Greta Thunberg, die sich 2018 alleine vor den schwedischen Reichstag setzte und damit Millionen von Menschen inspirierte, auf den Straßen zu demonstrieren.
Deutschland alleine kann eh nichts ändern…
Das angesprochene Argument wird nicht immer nur auf das Individuum bezogen, sondern lässt sich auch immer auf die nächstgrößere Ebene projizieren. Schaut man sich die globalen Zusammenhänge der Klimakrise an, scheint der deutsche Einfluss sehr gering, oder?
Was bringt es also, wenn Deutschland seinen CO2-Ausstoß senkt, China und die USA aber fröhlich weiter verpesten?
Und es stimmt, Deutschland hat im Vergleich zu den USA einen vergleichsweise geringen Ausstoß. Dennoch ist alles auch eine Frage der Perspektive, denn Deutschlands CO2-Ausstoß ist immer noch doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt.
Vorbildfunktion
Meiner Meinung nach ist hier auch die Vorbildfunktion ein wichtiger Faktor. Soll der geringe Anteil deutscher Emissionen nun ein Freifahrtschein sein? Laut Bundesumweltministerium hat Deutschland seit Beginn der Industrialisierung fast fünf Prozent der globalen Erwärmung verursacht. Der deutsche Anteil und die Mitschuld an der Klimakrise sind daher nicht zu leugnen.
Die Leidtragenden sind vorerst nicht wirtschaftsstarke Länder wie Deutschland, sondern wirtschaftlich schwächere Länder vorrangig im globalen Süden. Allein deshalb hat Deutschland die Pflicht und Verantwortung, mit gutem Beispiel voranzugehen. Irgendwann und irgendwo muss ganz einfach begonnen werden, das Ruder herumzureißen. Wenn mehrere Nationen mit einem Emissions-Anteil wie Deutschland sich zusammenschließen würden, dann wäre das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sondern hätte einen großen Impact auf den Zustand unseres Planeten und auf knapp 42% der Emissionen.
Und was sagt die Wissenschaft? Kann man alleine etwas bewegen? Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber äußerte sich im Standard folgendermaßen dazu: “Diese Frage hätte ich früher für unpolitisch gehalten, inzwischen scheint sie mir eine der wichtigsten von allen zu sein. Die Hoffnung liegt jetzt wirklich auf der Zivilgesellschaft. Jeder Einzelne kann viel tun: Man kann von heute auf morgen beschließen, weniger zu fliegen und stattdessen umweltfreundliche Reiseformen zu nutzen. Oder man kann die Ernährung umstellen, sich ein Elektroauto zulegen oder ein Fahrrad. Man muss ja nicht gleich ein Klimaheiliger mit Beglaubigung durch Greta Thunberg werden – mit solchen Maximalforderungen werden oft gute Ansätze zerstört. Wenn ich von acht Tonnen CO2 im Jahr auf sechs herunterkomme, habe ich schon etwas getan. Man kann sich auch mit anderen zusammentun, einen Ortsverband gründen oder sich der Fridays- for-Future-Bewegung anschließen. Politiker wie Angela Merkel wissen um das Problem, aber sie sind gefangen in einem Käfig von Partikularinteressen. Sie brauchen daher die Unterstützung der Zivilgesellschaft. Es muss ein Zeitgeist da sein, auf dem sie surfen können. Zur entsprechenden Welle können wir alle beitragen. In einer Demokratie braucht die Politik die Zivilgesellschaft mehr als umgekehrt.“
Also wenn das keine Hoffnung macht, weiß ich auch nicht.