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Tradition ist kein Argument!

Tradition ist kein Argument (Illustration). Die Figur Onkel Herbert verschränkt die Arme. Über ihm eine Sprechblade mit Tradition. Von einer Peron außerhalb des Bildes kommen die Worte "... ist kein Argument"

“Das haben wir schon immer so gemacht!” heißt nicht, dass es auch richtig ist. Wir haben uns das Argument „Tradition“ mal genauer angeschaut, das immer dann in Diskussionen verwendet wird, wenn die Fakten ausgehen.

Dieses Mal hast du dich so richtig auf die Diskussion beim Weihnachtsessen vorbereitet. Deine Familie hat dich extra so weit wie möglich von Onkel Herbert weggesetzt. Trotzdem kreuzen sich eure Blicke, als du deinen mitgebrachten Seitanbraten der Gans vorziehst.

“SoJa zErStöRt aBeR auCh deN ReGenWalD!1!” zischt es aus der Ecke.

Innerlich zückst du dein Notizheft, bereit, Onkel Herbert und seinen Gänsebraten argumentativ zu zerlegen. Doch bevor die Diskussion richtig Fahrt aufnimmt und alle anderen Beteiligten schon genervt mit den Augen rollen, spielt Herbert eine Karte, mit der du nicht gerechnet hast. Die Traditions-Karte, der ultimative Trumpf, der alle anderen Argumente sofort beiseite wischt.

Onkel Herbert zieht die Traditions-Karte (Illustration). Die Figur Onkel Herbert trägt ein blau kariertes Hemd und hält eine gelbe Karte in die Richtung der betrachtenden Person. Auf der Karte groß das Wort Tradition.

Ja, Traditionen sind wichtig

Dieses Traditions-Argument darf in keinem Herbert-Repertoire fehlen. Es gibt davon verschiedene Ausführungen: Das haben wir immer schon so gemacht, zum Beispiel. Oder HALT STOPP. Alles bleibt so wie es ist! Und ja, Traditionen sind wichtig und ein integraler Bestandteil vieler Gesellschaften. Sie können Werte vermitteln und weitergeben oder Zusammenhalt und Zugehörigkeit fördern.

Aber die bloße Existenz von Traditionen ist noch lange kein hinreichendes Argument. Das Traditionsargument gehört zu den Scheinargumenten – denn nur weil wir etwas schon immer so gemacht haben, heißt das nicht, dass es richtig ist oder das Argument stimmen muss. Denn auch wenn es für Onkel Herbert und Co. schwer zu begreifen ist: Früher war nicht unbedingt alles besser und auch Gesellschaften entwickeln sich ständig weiter.

Traditionen hinter uns lassen

Onkel Herbert mit einem kritischen Blick zur Seite. Um ihn herum zwei Pfeile die einen Kreis bilden (Illustration für das hinter sich lassen von Traditionen)

Die Bedürfnisse, Überzeugungen und Erkenntnisse der Menschen verändern sich. Praktiken und Denkweisen werden abgelegt, weil sie als nicht mehr zeitgemäß wahrgenommen werden. Und das ist schon immer passiert: Gladiatoren mussten sich bis aufs Blut bekämpfen, ehe es nach mehreren Jahrhunderten mit einem Edikt untersagt wurde. Mehr als 1000 Jahre später wurden Duelle für die Ehre ausgetragen, die meist tödlich endeten oder Hexen verfolgt und hingerichtet – alles mittlerweile verboten.

Man muss aber gar nicht so weit zurückgehen, um Veränderung und Wandel zu erkennen. Erst letzte Woche wurde beispielsweise in Südkorea das Verbot zum Verkauf von Hundefleisch beschlossen. Eine traditionelle Delikatesse, die zunehmend unter Druck geraten war, weil sich immer mehr Menschen und Tierschützer*innen dagegen ausgesprochen hatten. Nur ein Beispiel aus zahlreichen offensichtlichen und schleichenden Veränderungen.

Wandel ist möglich!

Der entscheidende Punkt dabei: Gesellschaften sind dazu fähig, sich zu verändern.
Traditionen sollten nicht als unantastbare Dogmen betrachtet werden, sondern vielmehr als lebendige Elemente, die im Einklang mit den sich wandelnden Werten und Erkenntnissen der Gesellschaft stehen können.

In einer globalisierten Welt, in der unterschiedliche Kulturen miteinander interagieren, ist es entscheidend, offen für neue Perspektiven zu sein. Denn wer vorhin beim Thema Hundefleisch gedacht hat: Wie können die nur?, darf gerne mal im Herbst nach München, um sich unser Kulturgut „Kotzhügel“ anzuschauen 😉

Wir als Gesellschaft haben die Verantwortung, zu prüfen, ob unsere Traditionen im Einklang mit den heutigen Werten und Erkenntnissen stehen. Diese kritische Reflexion ermöglicht es uns, schädliche Praktiken zu erkennen und durch zeitgemäße Alternativen zu ersetzen. Denn wenn wir nur aufgrund von Tradition an Dingen wie dem Kulturgut Stierkampf oder Silvesterfeuerwerk festhängen, dann ist es vielleicht an der Zeit, sie hinter uns zu lassen

Onkel Herbert blickt durch ein Teleskop in Richtung eines Sterns. (Illustration)
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