Fühlst du dich auch manchmal machtlos, wenn du an die drohenden Folgen des Klimawandels denkst? Ich habe versucht, mich diesem Phänomen wissenschaftlich zu nähern. Eco Grief oder ökologische Trauer beschreibt genau dieses Gefühl der Ohnmacht. Warum man trotzdem nicht den Kopf in den Sand stecken sollte, erfahrt ihr hier.
Ein unumkehrbarer Eisverlust in der Arktis, Brandrodungen im Regenwald auf Rekordhoch und eine Öl-Pest vor Mauritius. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue schreckliche Meldungen zum Zustand dieses Planeten veröffentlicht werden. Unsere Zukunft wird von den Folgen des Klimawandels bestimmt sein und selbst angesehene Wissenschaftler*innen mahnen mit düsteren Zukunftsprognosen. Da kann man sich als einzelner Mensch schnell machtlos fühlen. Hast du Angst vor der Zukunft?
Ich schon. Wenn ich mich zum Beispiel mit den Theorien rund um die Auswirkungen des Klimawandels auf Mensch und Natur befasse oder Artikel über drohende Kaskaden von Klima-Kipp-Punkten schreibe und bei beinahe jedem Beitrag das fehlende politische Engagement thematisieren muss, dann fühle ich mich manchmal hilflos.
Ökologische Trauer als wissenschaftliches Phänomen
Ich wollte mich dieser Ohnmacht wissenschaftlich nähern und herausfinden, woher sie kommt und ob ich dieses Gefühl positiv nutzen kann. Und bin fündig geworden. Tatsächlich wird das Phänomen, also die Verbindung zwischen Klimawandel und der menschlichen Psyche, bereits in einem Forschungsgebiet behandelt.
Mit Ecological Grief oder ökologischer Trauer wurde ein Begriff geschaffen, der das dumpfe Gefühl, das der drohende Klimawandel erzeugt, einzuordnen versucht.
Diese ökologische Trauer kann sich dabei auf jeden Menschen ganz unterschiedlich auswirken. Beispielsweise auf junge Menschen, die Angst vor ihrer eigenen Zukunft auf diesem Planeten haben, Wissenschaftler*innen, die die Zerstörung der Natur eigens dokumentiert haben und nicht aufhalten konnten oder Indigene, die so eng mit der Natur verbunden sind, dass eine Zerstörung dieser einem Identitätsverlust gleichkommt.
Vorweg muss gesagt werden, dass diese Angst ein nachvollziehbares Gefühl ist. Trotzdem kann die Zukunftsangst auch zu Stress und Depressionen führen. Um die Folgen zu “messen” wurden beispielsweise Suizidfälle in Gebieten ausgewertet, in denen eine Umweltkatastrophe, wie zum Beispiel ein Hurrikan oder eine Überschwemmung, Lebensgrundlagen zerstört hat. Suizidfälle oder -gedanken hatten sich in diesen Gebieten fast verdoppelt. Dabei ist die unmittelbare Betroffenheit nicht das ausschlaggebende Merkmal der Angst. Auch eine potentielle Gefahr kann ähnliche Gefühle auslösen.
Ich habe mich gefragt: Wie behält man bei all dem seinen Optimismus? Deswegen habe ich verschiedenste Menschen angeschrieben, die sich schon seit sehr langer Zeit mit den Folgen des Klimawandels oder ausbeuterischen Systemen auseinandersetzen. Unter anderem habe ich bei der Journalistin und Autorin (z.B. von „Die grüne Lüge) Kathrin Hartmann nachgefragt. Bei ihren Recherchen habe sie schreckliche Dinge gesehen, schreibt sie uns. Das halte sie jedoch nicht davon ab, zu hoffen:
“Es mag paradox klingen, aber genau das macht es mir unmöglich, die Hoffnung auf Änderung aufzugeben, auch wenn ich mich manchmal machtlos fühle. Zum einen, weil ich weiß, dass es nicht an Alternativen zum System mangelt, für die man kämpfen kann. Zum anderen, weil ich, gerade in den Ländern des Südens, so viele Menschen kennengelernt habe, die mit Mut, Liebe und Klugheit für eine andere Welt kämpfen, in der es Gerechtigkeit für alle gibt. Die Hoffnung nicht aufzugeben und solidarisch mit ihnen zu sein, das sind wir ihnen und uns schuldig. Dabei hilft es, sich immer wieder zu fragen: Wer verhindert diese Alternativen und profitiert von den Verhältnissen, wie sie sind? Damit wir wissen wofür wir kämpfen müssen und gegen wen“
Kathrin Hartmann, Journalistin und Autorin, auf eigene Anfrage.
Dieser Optimismus ist bei vielen Menschen zu erkennen, die sich mit der Klimakrise beschäftigen und ein Weg, mit der ökologischen Trauer klarzukommen. Viele Menschen, die sich tagtäglich mit der Umweltzerstörung auseinandersetzen, versuchen ihre Arbeit auf Lösungen zu konzentrieren, um der Zerstörung entgegenzuwirken.
So gibt es an der Charité die erste Professur für Klimawandel und Gesundheit, ebenso befasst sich die KLUG (Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit) damit.
Auch die Psychologists for Future, ein Verbund aus über 500 Psycholog*innen, greifen das Thema auf und versuchen mit ihrer Arbeit klarzustellen, dass die Angst ein angemessenes und natürliches Gefühl ist und diese Angst genutzt werden kann, um selbst aktiv zu werden.
Um es etwas philosophisch auszudrücken: Angst haben heißt auch zu erkennen. Nicht mehr zu verdrängen kann auch helfen, selbst aktiv zu werden. Viele Klimabewegungen sind aus dieser Ohnmacht entstanden und haben tausende Menschen mobilisiert. Das Gemeinschaftsgefühl ist dabei ein weiterer Faktor, um die Angst zu lindern.
QUELLEN:
The Skimmer: Ecological grief: New research on the mental health consequences of working in marine conservation and management in a time of rapid global change
FAZ: Meereis in der Arktis auf negativem Rekordstand
Psychologists for Future: Webseite
Nature Fachmagazin: Ecological grief as a mental health response to climate change-related loss
Redaktionsnetzwerk Deutschland: Öko-Trauer: Wenn der Klimawandel die Psyche belastet
The Guardian: How scientists are coping with ‘ecological grief’
ZDF: Climate Anxiety