Wie konnte es so weit kommen?
Eine Frage, die sich wahrscheinlich viele bei jedem eskalierenden Konflikt in der Welt stellen. Bei der Klimakrise ist das gar nicht so einfach zu beantworten. Denn seit wir das Feuer entdeckt haben, sind wir an vielen Stellen falsch abgebogen. Jetzt stehen wir vor einem großen Scherbenhaufen und sind im Begriff, die 1.5-Grad-Grenze zu überschreiten.
Was hätten wir anders machen können?
Auch darauf gibt es unzählige Antworten. Eine der häufigsten ist sicherlich, dass wir uns viel früher von fossilen Abhängigkeiten hätten lösen sollen. Und da gab es historisch gesehen viele Punkte, an denen alles in eine andere Richtung hätte laufen können…
Denn der Einfluss des Menschen auf die Erderwärmung ist nicht erst seit kurzem bekannt, auch nicht bei hochrangigen Politikern. Schon vor knapp 60 Jahren wurde der damalige amerikanische Präsident auf “messbare und vielleicht deutliche Veränderungen des Klimas” und “erhebliche Veränderungen der Temperatur” aufmerksam gemacht.
Und auch große fossile Unternehmen waren nicht so unwissend, wie sie manchmal gerne tun. In den 80er Jahren wurden in der “Arbeitsgruppe Treibhauseffekt” sensible Erkenntnisse gewonnen – nicht etwa von einer unabhängigen Forschungseinrichtung, sondern von sechs internen Wissenschaftlern vom Öl-Giganten Shell.
Die damals streng vertraulichen Ergebnisse sind heute geleakt und offenbaren, dass das Unternehmen schon damals sehr genau wusste, welche Auswirkungen das fossile Kerngeschäft hat und welche Verantwortung auch dem eigenen Unternehmen zuteil wird.
Jetzt im Nachhinein die Forschungsergebnisse mit dem zu vergleichen, was Shell daraus gemacht hat, ist schockierend, vor allem weil die Wissenschaftler warnen, dass es zu spät sein könnte, sollte die Erwärmung erst messbar sein.
Obwohl die Warnungen der Wissenschaftler so direkt waren und auch mögliche Folgen der Erderwärmung genau skizziert wurden, weiß man heute, dass die Entscheider von Shell anders mit diesen Informationen umgegangen sind, als man es erwarten dürfte.
Wohl auch aus dem Grund, dass die Auswirkungen damals außerhalb der Lebenszeit der Entscheidungsträger vermutet wurden.
Wohl aber in der Lebenszeit kommender Generationen. Das wären wir heute. Keine Pointe.
Aus dem Vorstoß, sich dem Klimawandel zu stellen und mit Regierungen konstruktive Lösungen zu erarbeiten, ist nicht wirklich viel geworden. Seit den 80er Jahren investierten fossile Lobbys Millionen von Dollar in Kampagnen, die den eigenen Einfluss auf die globale Erhitzung verschleiern und herunterspielen sollten.
Ein an die Öffentlichkeit gelangter geheimer Aktionsplan Ende der 90er Jahre zeigt die Vorgehensweise großer Öl-Firmen mit dem Ziel, Zweifel in Medien und Gesellschaft zu verankern. Die Strategie umfasste die Finanzierung von Forschung, die Beeinflussung von Studien und die Bezahlung von Forschenden. Die Vorgehensweise erinnert an die Tabakindustrie, die mit ähnlichen Mitteln versuchte, die gesundheitlichen Auswirkungen des Rauchens zu vertuschen.
Wie beim Rauchen auch, bleibt ein bitterer Beigeschmack. Trotz jahrzehntelanger Kenntnis über die drohende Klimakatastrophe wurden die notwendigen Maßnahmen verschleppt oder sabotiert.
Große Konzerne und Lobbygruppen haben ihre eigenen Interessen über das Wohl der Weltbevölkerung gestellt. Die Enthüllungen über das bewusste Vertuschen von Fakten sind erschütternd und erinnern an die dunkelsten Kapitel der Industriegeschichte. Sie zeigen aber vor allem einen wichtigen Punkt in der Geschichte der Menschheit, an dem wir eine andere Ausfahrt hätten nehmen können.